Idealismus und Vorurteile

geschwungene Linie

Falsche Vorstellungen, Vorurteile und Wunschdenken

Konventionelle intensive und auch extensive Landwirtschaft haben einen extrem schlechten Ruf. Angeblich sind die Landwirt (allein) für das Artensterben in Deutschland verantwortlich, für resistente Krankenhauskeime, für jegliche Verschmutzung des Grundwassers und für die Überdüngung der Oberflächengewässer. Die Bauern ruinieren den Boden auf dem sie wirtschaften. Monokulturen verdrängen die Artenvielfalt. Zusätzlich werden von den konventionellen Landwirten Tiere aus reinem Sadismus und Profitgier zu Tode gequält und ihre Kadaver achtlos in den Ställen liegen gelassen.

Ganz anders sieht es bei der ökologischen Landwirtschaft aus. Der Landwirt wirtschaftet nachhaltig und erhält so die Bodenfruchtbarkeit. Hier haben alle Tiere Name und leben fröhlich auf der grünen Wiese. Sie werden nie krank, weil sie durch optimale Haltungsbedingungen, herausragende Futterqualität und Homöopathie extrem widerstandsfähig sind. Chemische Pflanzenschutzmittel, gentechnisch veränderte Organismen, Medikamente für die Tiere und Mineraldünger werden nicht eingesetzt.

Die optimierte Form der Landwirtschaft ist dann bio-vegan. Hier werden gar keine Tiere mehr gehalten. Tierhaltung verschwendet angeblich Ressourcen, weil mehr Kalorien aus dem direkten Verzehr des Getreides gezogen werden können, als wenn man das Getreide an erst an Tiere verfüttert und dann ihr Fleisch isst. Darum muss im Sinne der Welternährung ganz auf Tierhaltuing verzichtet werden. Es wird bei bio-veganem Landbau auch gar nicht mehr gedüngt, was prima ist für das Grundwasser. Mineraldünger verwendet man nicht, weil der Ökolandbau es nicht zulässt. Mist, Hornmehl und Blutmehl werden nicht eingesetzt, weil er nur bei der Tierhaltung anfallen, also nicht vegan sind. Gegessen wird in der Konsequenz nur noch, was von sich aus auf den äckern wächst. Ein Leben im Einklang mit der Natur als Sammler von Beeren und Gänseblümchenblüten. Sämtliche Haustierrassen sterben dann aus.

Dann wären da noch die Theorien, dass wir durch die Evolution weder an den Verzehr von Weizen noch an des Trinken von Milch angepasst sind (siehe Ernährung). Getreide macht uns angeblich dumm und fett, weshalb wir keine Getreide mehr essen sollen. Die Anhänger dieser Theorie und der Paläo-Diät ernähren sich nur von Gemüse und Fleisch. Dazu müsen wir dann unser gesamtes Getreide an Tiere verfüttern.

Alle diese Ideen und Theorien widersprechen sich. Die Einen wollen viel Getreide anbauen, weil es viele Kalorien enthält und rein rechnerisch genug Kalorien durch Getreideproduktion erzielt werden können, um die Menschheit zu ernähren. Die Anderen verteufeln Getreide, weil es viele Kalorien enthält und uns fett macht (und angeblich noch gleich dumm dazu).
Wir sollen weniger Fleisch essen, weil Fleisch, Eier und Milch Wasser, Nahrung und Ressourcen verschwenden. Zumindest moralisch stehen wir in der Pflicht unseren Konsum zu reduzieren, wenn woanders Menschen hungern. Es ist nicht so, dass Wasser, das hier Rinder nicht trinken, auf irgendeine Weise den Niederschlag in der Sahelzone steigert oder in Indien Brunnen füllt.
Die Theorien sind ohnehin für die Dritte Welt Länder nicht zutreffend. Weizen und Mais wachsen in vielen Gebieten nicht, weil der Niederschlag fehlt. Das Getreide, das dort als einziges wächst und darum dort angebaut wird - Hirse -, ist nicht vollwertig. Es fehlen wichtige Aminosäuren. Darum müssen die Menschen dort zusätzlich Eier, Milch und Fleisch essen, um keinen Eiweißmangel zu bekommen. Sie könnten natürlich auch anderes Getreide und Hülsenfrüchte essen, wenn die denn dort wachsen würden. Das vorhandene Getreide zu nehmen und damit Hühner zu füttern und so das Eiweiß zu veredeln macht also Sinn. Und auch in Deutschland ist es sinnvoll einen Teil des Getreides an Tiere zu verfüttern (siehe Was kosten unsere Lebensmittel?)

Die Realität ist komplizierter

Jeder Landwirt arbeitet nachhaltig! Grundsätzlich und immer! Im Gegensatz zu Kleinbauern in Asien, die sich durch unbewohnte Waldgebiete roden können, sind unsere Landwirte darauf angewiesen jedes Jahr wieder auf den gleichen Flächen anzubauen. Das tun sie bereits seit Jahrhunderten. Die Erträge sinken dabei nicht, sondern steigen ständig an. Unsere Böden verarmen nicht. Auch in der konventionellen Landwirtschaft werden Fruchtwechsel betrieben, Gründüngungspflanzen angebaut und organische Masse in Form von Mist auf die Felder gebracht. Das alles ist keine Erfindung des Ökolandbaus.
Ökolandbau bedeutet nicht, dass es keine Monokulturen gibt. Auch ein Bio-Bauer sät sein Getreide nicht in Mischkultur mit Möhren aus. Es stehen hektarweise Monokulturen auf ökologischen Getreidefeldern und in Bio-Obstanlagen. Bio-Betriebe sind kaum noch kleiner als konventionelle Betriebe und bewirtschaften auch keine kleineren Felder. Sie verwenden zur Ernte ebenfalls große Landmaschienen, deren Einsatz sich nur bei ausreichend großen äckern lohnt.
Im Bio-Landbau werden keine Herbizide eingesetzt. Wildkräuter werden durch pflügen, eggen und striegeln beseitigt. Das ist umweltschonender und aufwendiger. In der Konsequenz hat es aber den gleichen Effekt: Es gibt wenig Wildkräuter auf den äckern. Es bleiben nur Arten übrig, die sich an die Bewirtschaftung anpassen (z. B. Disteln, Kamille). Ackerunkräuter sind in der Landwirtschaft unerwünscht, weil sie zum Beispiel das Trocknen des Getreides behindern und das Lagern (Umfallen der Halme) fördern. Sie senken den Ertrag und beeinträchtigen die Qualität des Getreides. Das ist im Ökolandbau nicht anders als im konventionellen Anbau. Durch Unkräuter entsteht jährlich weltweit ein Etragsverlust von 10%. Bei Rauke sind es etwa 30 %, bei Erbsen können es bis zu 49% sein.
An Wildkräutern überdauern außerdem Schaderreger (Nematoden, Pilze, Blattläuse, Wurzelläuse), die Kulturpflanzen befallen können. Sie sind darum auch bei Bio-Bauern unerwünscht. Das Unkraut muss also weg. Der Bio-Landwirt freut sich trotz der Biodiversität und der bunten Blüten nicht über Kornblume, Mohn und Kamille im Getreide. Er fördert diese Unkräuter auch nicht, damit sich Nützlinge ansiedeln. Er bekämpft die unerwünschten Pflanzen aber ohne chemische Pflanzenschutzmittel. Dadurch wird die Umwelt nicht belastet und Resistenzbildung vermieden. Die Pflanzenvielfalt auf der Ackerfläche ist bei Öko-Flächen nicht größer.
Die Ackerunkräuter, von denen die Allgemeinheit verlangt, dass der Landwirt sie auf seinen Flächen duldet, werden übrigens im Siedlungsraum und im Hausgarten rigoros bekämpft. Gemeint sind hier nämliche unter anderem Löwenzahn, Gänseblümchen, Rotklee, Weißklee, Vogelmiere und Hornklee, die mit Einsatz von Pflanzenschutzmmitteln im Rasen und auf Wegen und überall sonst bekämpft werden. Dafür gibt es spezielle Mittel "gegen zweikeimblättrige Unkräuter im Rasen". Bei diesen praktischen "Pflanzenschutzmitteln" handelt es sich um Präparate mit Glyphosat. Rund 40 Tonnen verbrauchen die deutschen Klein- und Hausgärtner davon jedes Jahr. Ebenfalls sehr unbeliebt sind die übrigen Ackerunkräuter wie Ackerwinde, Ackersenf, Vogelmiere, Klette, Quecke, Huflattich, Disteln und Hirtentäschel. Sie werden zusammen mit Brennesseln und anderen Gewächsen aus reinem Ordnungswahn von Hausbesitzen und Kleingärtnern mit der chemischen Keule bekämpft.

Ein Bio-Bauer erntet nur etwa die Hälfte von dem was ein konventionell wirtschaftender Betrieb einfährt. Im Idealfall sollte er dann doppelt soviel Geld für seine Ernte bekommen. Das ist leider nicht immer so. Darum müssen immer mehr Bio-Bauern aufgeben oder wieder zur konventionellen Landwirtschaft zurückkehren (siehe dazu Was kosten unsere Lebensmittel?).
Eine Umstellung von konventionell zu bio und umgekehrt ist in Bezug auf den Boden jederzeit möglich.

Würden wir unsere gesamten landwirtschaftlichen Flächen auf die Bio-Produktion umstellen, würden wir nicht mehr genug ernten, um die gesamte deutsche Bevölkerung zu ernähren. Selbst dann nicht, wenn wir sehr viel weniger Fleisch essen würden und auf den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Zukunft verzichten. Einen Artikel dazu gibt es zum Beispiel bei Zeit-Online.

Es wird auch immer wieder in den Raum gestellt, dass wir für unsere Ernährung zuviel landwirtschaftliche Fläche brauchen. Das mag sein. Tatsache ist aber, dass durch die Intensivierung der Landwirtschaft die Fläche kleiner geworden ist, die für die Ernährung eines Menschen notwendig ist. Im Jahr 1900 waren 6.300 qm Land nötig, um einen Menschen zu ernähren, 1950 2900 qm und 2015 nur noch 2.100 qm (Weingarten 2012). Sinken die Erträge durch Extensivierung würde der Flächenbedarf wieder steigen! Halbsoviel Ertrag = doppelt soviel Fläche für die selbe Erntemenge!

Nun wird die landwirtschaftliche Fläche als solche schon kritisiert, weil sie kein natürlicher Lebensraum sei. Das ist auch war. Landwirtschaftliche Nutzfläche ist Kulturland. Alle Lebewesen, die dort leben sind Kulturfolger und es würde sie ohne die Lndwirtschaft bei uns gar nicht geben. Ursprünglich - vor etwa 2000 Jahren - war Deutschland nahezu flächendeckend bewaldet. Es gab weder Heide, noch Wiesen oder äcker. Die Ackerunkräuter oder "Wildpflanzen am Wegesrand" die heute in ihrer Zahl abnehmen, gab es ebenfalls noch nicht. Die Pflanzengesellschaften entwickelten sich erst mit der Landwirtschaft. Viele Arten stammen ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Sie sind darauf angewiesen, dass der Boden regelmäßig umgebrochen und mit wechselnden Kulturen bestellt wird. So wie die Heide und Trockenmagerrasen mit Orchideen nur bestehen bleiben, wenn sie beweidet werden, so bleiben Segetalpflanzen nur auf und an äckern erhalten.

Die Artenvielfalt auf den landwirtschaftlichen Flächen geht etwa seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Seit Saatgut sorgfältiger gereinigt wird, nimmt die Zahl der mit dem Saatgut verbreitetetn Unkräuter ab. Kornrade und Mohn wurden seltener. Auch Veränderungen in der Bodenbearbeitung und letztendlich der Einsatz von Herbiziden trägt zum Artenrückgang bei den Wildkräutern bei. Er beginnt in den 1960ern und 1970er Jahren. Zu der Zeit hatte der Einsatz von Kunstdünger Hochkonjunktur. Von 1950 bis 1980 steigt der Stickstoffüberschuß auf den Ackerflächen von 5 kg N/ha auf 120 kg N/ha. Seit den 1980 wird hier gezielter gewirtschaftet und der Wert hat sich bis heute wieder halbiert.

Bedeutender ist, dass sich zwei "neue" Kulturpflanze auf immer größerer Fläche ausbreitet: Mais und Raps. 1925 wuchs nur auf 2% der ackerbaulichen Nutzfläche Mais. Im Jahr 2000 waren es 12,8% und 2012 21% im deutschen Durchschnitt. In einigen Bundesländern nahm Mais 2010 25% der Ackerflächen ein. In einigen Landkreisen von Bayern und Schlewsig-Holstein sind es mehr als 50%! Während die Kulturflächen von Weizen und Gerste seit den 1970ern etwa gleich bleiben verdrängten Raps und Mais in den letzten 40 Jahren andere Kulturen wie Klee, Luzerne, Hackfrüchte und Hafer. Die Fruchtfolgen verarmen, weil weniger Arten angebaut wurden.
Den Bedarf schafft hier nicht eine vermehrte Viehhaltung und unser Fleischkonsum, sondern das Biogas. Die Energie aus nachwachsenden Rohstoffen verschlingt das Land. Von 1995 bis 2011 hat sich die Anbaufläche für Energiepflanzen und nachwachsenden Rohstoffe von etwa 500.000 Hektar auf 2.282.500 Hektar vergrößert. Die Zahl der Biogas-Anlagen steigt ständig. 1992 waren es 139, 2011 gab es bereits mehr als 7.200. Besonders ökologisch sind unsere nachwachsenden Bio-Energiepflanzen leider nicht. Der subventionierte Bio-Gas-Mais ist eine Öko-Katastrophe für Ackerunkräuter, Insekten (z. B. Marienkäfer) und Vögel. Inzwischen versucht man das Problem abzumildern, in dem zwischen dem Mais blühende Pflanzen ausgesät werden. Das bringt aber wieder Nachteile mit sich, wenn als Folgekultur Getreide auf die Fläche kommt, dass die keimenden Beikräuter nicht verträgt.

Die Bewirtschaftungsweise der Ackerflächen hat laut verschiedener Studien keinen Einfluß auf die Artenzahl an Tieren im Feld, sondern nur auf die Dichte der Populationen. Entscheidender ist der Anteil an Rückzugsflächen. Nach dem Pflügen oder der Ernte werden die Flächen von den Rändern wieder besiedelt. Je vielfältiger die Ackerrandstreifen sind, desto schneller und vielfältiger erfolgt die Besiedlung - unanhängig davon ob konventionell oder ökologisch gewirtschaftet wird.

Mit der Tierhaltung sind viele Emotionen verbunden, da Tiere empfindsame Lebewesen sind und Schmerz und Angst fühlen. Wir sind moralisch verpflichtet, den Tieren in unseren Obhut oder auch Wildtieren möglichst wenig Leiden und Schäden zuzufügen. Das schließt für mich nicht aus, dass wir Tiere halten und sie töten, damit wir sie essen können. Fressen und gefressen werden ist Bestandteil der Natur, die Grundlage aller Nährstoffkreisläufe. Menschen haben schon immer Fleisch gegessen. Wir sind nicht in der Lage selbst Vitamin B12 zu bilden. Da das nur in Fleisch vorkommt (und in Algen und Hefe), mussten Menschen schon immer Fleisch essen (oder Bier trinken). Der Mensch ist ein Allesfresser, der Fleisch und pflanzliche Nahrung für seine ausgewogenen Ernährung braucht. Ich kann verstehen, dass es Menschen gibt, die aus idealistischen Gründen kein Fleisch essen und auch auf andere tierische Produkte verzichten. Biologisch lässt sich das aber nicht begründen (siehe Ernährung).
Die Erhaltung alter Nutztierrassen setzt voraus, dass wir bereit sind sie zu essen.

Fazit

Die Landwirtschaft versorgt uns mit Nahrung und Rohstoffen. Abhängig von den klimatischen Gegebenheiten und vom Boden ist Landwirtschaft unterschiedlich produktiv. Jede Region auf der Erde ist anders und braucht andere Strategien zum Umgang mit Boden und Landwirtschaft. In einigen Regionen kann auf Grund fehlender Niederschläge keine Nahrung produziert werden. Darauf hat unser Konsumverhalten keinen Einfluß!
Die Produktion von Bio-Treibstoff und Bio-Gas hat zu einer Zunahme des Maisanbaus und zeitgleich zu einem Rückgang der Artenvielfalt geführt. Wie die Gewinnung von Strom aus Wasserkraft oder Wind, hat auch die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen Nachteile.
Wir können weder auf Nahrung noch auf die nachwachsenden Rohstoffe verzichten. Darum brauchen wir die Landwirtschaft.
Es gibt ständig neue Erkenntnisse in der Agrarökologie und ständig Verbesserungen. Ackerrandtreifen werden breiter. Ruhezonen für Tiere werden einrichtet. Zwischenbrachen und andere extensiv bewirtschaftete Flächen werden angelegt.
Das alles muss aber so geschehen, dass die Landwirte überleben können. Höhere Kosten und Mehrarbeit müssen durch den Gewinn aus der Ernte gedeckt sein. Das bedeutet, dass wir alle etwas beitragen müssen. Wir müssen den höheren Preis für Bio-Lebensmittel zahlen. Die Verbraucher können nicht Qualität fordern und dann immer das Billigste kaufen.

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Quellen:

Jahrhundertvergleich: Landwirtschaft früher und heute

Prof. Dr. Peter Weingarten (2012): Landnutzungswandel vor dem Hintergrund der Perspektiven in der Agrar- und Energiepolitik

Stefan Meyer et al. (2013): Ackerwildkrautschutz - Eine Bibliographie.- BfN-Skripten 351

Wie der Mais-Dschungel die Tierwelt verändert

Maisanbau dezimiert Marienkäfer - Biosprit zerstört Gleichgewicht

Th. Hemmerde (2009): Untersuchungen von Herbizidresistenzen bei Unkräutern in Deutschland.- Bachelorarbeit, Justus-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich 09 Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement, Institut für Organischen Landbau

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Pflanzenschutz im Obst- und Gemüsebau

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