Resistenzen und Toleranzen bei Pflanzen


geschwungene Linie




Resistenzen und Toleranzen bei Pflanzen

Beim Kauf von Saatgut oder Jungpflanzen findet man manchmal den Hinweis, dass die Pflanzen "resistent" sind. Aber was eine Resistenz ist, weiß kaum jemand. Darum möchte ich einmal erklären was "Toleranz" und "Resistenz" im Zusammenhang mit Pflanzensorten bedeutet.

Resistenz und Toleranz

Eine tolerante Pflanze ist sehr robust und wüchsig. Sie kann wächst auch bei einer Infektion weiter und entwickelt sich schneller als der Erreger sie abtÖten kann. Die Pflanze blüht und fruchtet, auch wenn sie vielleicht nicht mehr ganz so schön aussieht. Man spricht auch von einer Feldresistenz. Je besser die Kulturbedingungen sind, desto widerstandsfähiger sind die Pflanzen und desto besser ist der Ertrag. Unter schlechten Kulturbedingungen brechen die Pflanzen schneller zusammen.
Eine resistente Pflanze hat dagegen die MÖglichkeiten einen bestimmten Erreger abzuwehren und wird dann gar nicht erst krank. Die Entwicklung von Resistenzen ist eine Folge natürlicher Auslese. Auf anfälligen und toleranten Pflanzen können sich Pilze oder Blattläuse gut vermehren. Auf Pflanzen, die Abwehrsubstanzen bilden, vermehren sie sich nicht. Die Abwehrsubstanzen kann im Prinzip jede Pflanze bilden. Das tut sie aber nicht einfach so ohne Grund. Sie muss den Erreger erkennen und identifizieren bevor ihr Abwehrsystem die Schilde hochfährt. Diese Chance nutzen die Erreger. Sie mutieren ständig und versuchen sich am Frühwarnsystem vorbei zu schleichen. So kommt es zu einem Wettrüsten zwischen Pflanze und Schädling, das eine große Variationsbreite auf beiden Seiten zur Folge hat. Dass eine Pflanze resistent ist bedeutet nicht, dass sie absolut nie irgendeine Krankheit bekommt.
Man muss sich das wie bei einer Immunisierung durch eine Impfung vorstellen. Vergleichen wir einmal drei Personen. Eine ist gegen Hepatitis A, eine gegen Hepatitis B und eine gegen Hepatitis A und B geimpft. Werden diese drei Personen nun dem Erreger von Hep A ausgesetzt wird nur die Person krank, die ausschließlich gegen Hep B geimpft wurde. Die anderen beiden sind geschützt. Sie sind resistent gegen Hep A. Aber keine der der Personen ist durch ihre Impfung resistent gegen Hepatitis C, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Masern oder Hirnhautentzündung. Diese Infektionen können trotzdem auftreten.

Resistenzen bei Pflanzen

So verhält es sich auch bei den Resistenzen von Pflanzen. Tomaten mit einer Resistenz gegen Tomaten-Welke können durchaus Kraut- und Braunfäule kriegen. Und kraut- und braunfäule-resistente Sorten können an Tomatenwelke eingehen. Ertragssicherer ist also eine Sorte mit einer Resistenz gegen beide Pilzkrankheiten. Aber auch die Resistenzen gegen eine Krankheit sind nicht absolut. Schuld ist das oben genannte Wettrüsten zwischen Erreger und Pflanze. Es treten immer neue Pilzrassen auf, die die Resistenzen "durchbrechen". So wie Hacker immer neue Lücken in Firewalls finden, so gelingt es immer neuen Erregerstämmen irgendwann auch die Resistenz zu umgehen. Das ist der Grund warum es zum Beispiel mit einer einmaligen Grippeschutzimpfung nicht getan ist. Sie muss jährlich wiederholt werden, weil es ständig neue Stämme gibt. Und die gibt es eben auch bei pflanzenpathogenen Pilzen und Viren.

Beispiel Falscher Mehltau an Salat

Resistenzen von vier Salaten gegen Falschen Mehltau Resistenzen von vier Kopfsalaten gegen die Rassen des Falschen Salatmehltaus.
Falsche Mehltaupilze sind eine große Gruppe von Pflanzenpathogenen. Jede Art ist auf andere Pflanzen spezialisiert. An Salat finden wir den Falschen Salatmehltau Bremia lactucae. Er ist ein großes Problem, weil er die Blätter verfaulen lässt und die Pflanzen abtötet. Der Pilz bildet sehr viele Rassen von denen heute (im Jahr 2015) offiziell 31 klassifiziert sind (Bl: 1 - 31). Dazu kommen noch zahlreiche regional verbreitete Lokalrassen. Die modernen Salatsorten haben alle Resistenzen gegen Falschen Mehltau (Bl). Aber nicht alle sind gegen alle 31 identifizierten Rassen resistent. Das Bild zeigt die Resistenzen von 4 verschiedenen Kopfsalatsorten. Jedes Feld steht für eine Rasse des Pilzes angefangen oben links mit Rasse 1 und dann fortlaufend in den Zeilen und Spalten weiter. "Grün" steht für eine Resistenz "Rot" für Anfälligkeit. Wie man sieht, ist die alte Sorte ´MaikÖnig´ gegen keine der Rassen resistent und ´Descartes´ gegen alle. Eine mehrjährige Untersuchung von verschiedenen Proben von Bremia lactucae aus ganz Deutschland hat gezeigt, dass die Mehltau-Rassen 1 bis 15 heute kaum noch vorkommen und darum für den Anbau keine Rolle spielen. In der Untersuchung wurden Bl: 18, Bl: 24 und Bl: 25 gefunden und weitere Erregerformen von denen in der Folge drei neu als Bl: 29 - 31 klassifiziert wurden. Neue Salatsorten werden nur noch auf die Rassen 16 - 31 getestet und nur für die werden auch Resistenzen angegeben. Eine Resistenz gegen alle klassifizierten Erreger bedeutet aber keine absolute Sicherheit, weil nicht klassifizierte Lokalrassen auftreten können, gegen die keine Resistenz besteht.

Bedeutung von Resistenzen und Toleranzen im Hausgarten

Resistente Sorten sind also für weniger Rassen eines Erregers anfällig als andere Sorten. Je mehr Resistenzen sie haben desto unwahrscheinlicher ist es also, dass sie die Krankheit bekommen. Problematisch ist das Auftreten von Lokalrassen. Sie entstehen, wenn es dem Erreger auf einem Feld gelungen ist eine resistente Sorte zu besiedeln. Das kommt dort vor, wo der Befallsdruck besonders hoch ist. KÖnnen sich auf einer toleranten oder einer hochanfälligen Sorte Milliarden von neuen Pilzsporen bilden, ist es wahrscheinlich, dass dort auch die ein oder andere dabei ist, die eine resistente Sorte besiedeln kann. Vor allem dann, wenn die Kulturbedingungen insgesamt schlecht sind. Also die Nährstoffversorgung nicht ideal ist, die Blattnässedauer zu lang ist und Kälte die Pflanzen schwächt. Grundsätzlich ist also immer für gute Kulturbedingungen zu sorgen. Es geht nicht, dass man anfällige Sorten auf dem Feld verfaulen lässt, weil die Sorte daneben ohnehin resistent ist. Infiziertes Pflanzenmaterial muss sofort entfernt und vernichtet werden. Eine gute Kulturführung verbessert nicht nur den eigenen Ertrag, sondern verlangsamt auch die Rassenbildung bei den Erregern.
Im Erwerbsanbu sind resitente Sorten unverzichtbar, weil sie den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmittel weitegehend überflüssig machen. Im holländischen Tomatenanbau unter Glas muss dank resistenter Sorten und iedaler Kulturführung heute tasächlich gar nicht mehr gespritzt werden.

Resistenzen richtig einsetzen

Resistente Sorten zu wählen ist also kein Freibrief die Pflanzen zu vernachlässigen. Bei richtiger Kulturführung und ausgewogener Düngung, werden die Pflanzen aber sehr viel wahrscheinlicher gesund bleiben als anfällige Sorten. Das ist vor allem dann von Vorteil, wenn Kälte und Nässe und an Mangel an Sonnenlicht die Pflanzen zusätzlich schwächen. Resistente Sorten sind kein Ersatz für Flächenwechsel. Baut man zum Beispiel Tomatensorten, die resistent sind gegen Fusarium oder bestimmte Nematoden wieder und wieder an derselben Stelle an, dann werden sich dort irgendwann nur noch Mikroorganismen befinden, die sich von dieser Tomate ernähren können. Darunter werden dann wahrscheinlich auch Nematoden sein, die Tomate befallen. Es entsteht ein spezielles Mini-Ökosystem, dass an diese Tomate angepasst ist, mit einer völlig anderen Artverteilung als im normalen Gartenboden. Nematoden, Bakterien oder Pilze, die normalerweise gar keine Rolle spielen, werden dann plÖtzlich zu einem Problem. Die Resistenz trägt dazu bei, dass unsere Bemühungen erfolgreich sind, die wir mit der Bodenbearbeitung und Düngung, mit Pflanzenstärkungsmitteln und Pflanzenschutzmitteln, Wässern und Schutz durch Vliese und Folien auf uns nehmen.

Lohnt es sich, mehr Geld auszugeben für resistente Sorten?

Das muss jeder selbst entscheiden. Wer einen großen Garten hat, nach einem Rollplan seine Flächen wechselt und insgesamt selten Probleme mit Pflanzenkrankheiten hat, braucht sie nicht. Wenn das Hauptproblem Schneckenfraß ist, lohnt sich die resistente Sorte auch kaum.
Die meisten Züchtungen sind aber nicht nur resistent gegen eine Krankheit. Bei Salat gibt es z. B. neben der Resistenz gegen Falschen Mehltau noch Resistenzen gegen eine Rasse der Grünen Salatblattlaus und Viren. Und gegen die Blattläuse, die die Viren übertragen, hilft leider keine noch so gute Kulturführung. Die Resistenz ist wie eine Versicherung. Wenn alles gut läuft und auch alle anfälligen Sorten toll wachsen, dann hat man sie umsonst bezahlt. Gibt es aber ein Problem, dann kann sie die gesamte Ernte retten.
Für Hobbygärtner und Jeden, der auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ganz verzichten will, sind die resistenten Sorten die richtige Wahl.

geschwungene Linie


Quellen:

Ute Gärber, Elke Idczak (2007): Erhebungen zum Auftreten und zum Rassenspektrum von Bremia lactucae an Salat in Deutschland.- Nachrichtenblatt Deut. Pflanzenschutzdienst, 59 (10). S. 221-226, 2007

geschwungene Linie

© Wilsterman-Hildebrand 2009 - 2015