Grundsätzlich unterscheidet sich die Vermehrung
von
Wasserpflanzen nicht von der Vermehrung anderer Pflanzen. Sie vermehren
sich in der Natur generativ - aus Samen - oder vegetativ - aus
Pflanzenteilen.
Die Vegetative Vermehrung kann durch die Produktion von
Ausläufern,
Adventivpflanzen oder durch Teilung erfolgen.
In gärtnerischer Kultur ist die generative
Vermehrung
vor allem für die Züchtung wichtig. Durch Kreuzung
ausgewählter
Elternpflanzen wurden zum Beispiel sehr viele unterschiedliche Echinodorus-Sorten
gezüchtet. Für die Massenvermehrung spielt die vegetative
Vermehrung
aber eine wesentlich größere Rolle. Stängelpflanzen
werden
durch Stecklinge vermehrt. Das bedeutet, dass die oberen 5 bis 15 cm
abgeschnitten
und in einem Substrat gesteckt oder getopft werden. Anubias,
Microsorum
oder auch Echinodorus kann man
durch
Teilung der Rhizome vermehren.
Das Prinzip ist dabei immer das Selbe. Die abgetrennten
Pflanzenteile wachsen weiter indem sie zuerst aus ihrer eigenen Masse
Nährstoffe
für die Bildung von Wurzeln mobilisieren. Diese bilden sich an den
Blattknoten der unteren Stängelabschnitte. Wenn die Pflanze wieder
Nährstoffe über die neuen Wurzeln aufnimmt, beginnt sie auch
wieder an der Triebspitze zu wachsen.
Nun ergibt sich durch das Abschneiden einer Triebspitze
und das anwachsen der selben noch keine Vermehrung. Man hat ja nach wie
vor nur einen Trieb. Die Vermehrung erfolgt am übrig gebliebenen
unteren
Teilstück des Stängels. Dort treiben nämlich aus den
unteren
Knoten Seitentriebe aus, die vorher durch Hormone der
ursprünglichen
Triebspitze in ihrer Entwicklung gehemmt wurden (Apikaldominanz). Bei
Einigen
Pflanzen, z. B. Ludwigien und Hygrophila, bilden sich
auch
immer Seitentriebe, wenn die Triebspitze noch an der Pflanze ist. Diese
lassen sich genauso wie die Triebspitze abtrennen und neu stecken.
Diesen Vorgang muss man im Aquarium
regelmäßig
wiederholen, weil die Stängelpflanzen sonst aus dem Becken
herauswachsen
und an der Stängelbasis verkahlen würden.
Einige Aquarienpflanzen teilen sich von Natur aus, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben. Beispielsweise bildet die Kleine Wasserlinse (Lemna minima) zwei oder drei neue Blätter und zerfällt dann in zwei Teile, die als eigenständige Pflanzen weiterwachsen. Auf diese Weise verdoppeln sich die Pflanzen etwa alle drei Tage. Auch das Teichlebermoos (Riccia fluitans), teilt sich, wenn die Thalli (Mehrzahl von Thallus) eine gewisse Größe erreicht haben.
Bei Pflanzen mit starkem Rhizom ist es möglich
auch
dieses zu teilen. Das ist bei Anubias barteri var. barteri und
A. barteri var. nana besonders leicht. Man durchtrennt das Rhizom
einfach
so, dass mindestens 2 Blätter an jedem Rhizomstück
verbleiben.
Die Stücke wachsen weiter und bilden neue Blätter. Bei
Echinodoren
ist es etwas schwieriger. Es empfiehlt sich nur Rhizome zu teilen, die
bereits deutlich sichtbare Knospen am Rhizom zeigen. Bei Aponogeton
sollte man von einer Teilung absehen, wenn sich nicht schon deutlich
zwei
Vegetationspunkte von einander getrennt haben.
Dieses Echinodorus-Rhizom hat zahlreiche
|
Eine Jungpflanze aus einem Seitenauge
|
Das Rhizom kann zwischen en einzelnen
|
Die einzelnen Rhizomstücke werden getopft.
|
An diser Knolle sind über 20
Vegetationspunkte. |
Diese beiden Vegetationspunkte wachsen |
Bei einigen Pflanzen bilden sich auch an abgetrennten Blättern Wurzeln und neue Pflanzen wachsen heran. Das kann man zum Beispiel gut bei Bacopa carolineana und Hygrophila difformis beobachten. Diese Fähigkeit von Pflanzen sich aus Teilen zu regenerieren wird in der in-vitro-Kultur genutzt. Dabei wird unter sterilen Bedingungen Pflanzenmaterial vermehrt.
Die Bildung von Adventivpflanzen ist bei Wasser- und
Sumpfpflanzen
weit verbreitet. Der Schwimmende Hornfarn und der Javafarn bilden
Jungpflanzen
an den Blatträndern bzw. an den Sporengefässen ihrer
Blattunterseite.
Bei Echinodorus wachsen Jungpflanzen an den
Blütenstandstielen
zwischen den Blüten.
Bei anderen Pflanzen befinden sich an der
Stängelbasis
Knospen, aus denen Jungpflanzen hervorgehen. Das ist zum Beispiel bei
den
Nymphoides-Arten
der Fall und bei Cryptocoryne elliptica. Bei einigen Seerosen
bilden
sich in der Mitte der Schwimmblattoberseite Jungpflanzen.
Adventivpflanzen an |
Trieb mit Adeventivpflanzen |
Auf der Blattoberseite dieser blau-blühenden tropischen Seerose bilden sich über dem Stielansatz Adventivpflanzen. |
Während die Blätter altern und
zerfallen, wachsen |
Weiter verbreitet ist aber die Vermehrung durch
Ausläufer.
Vallisnerien, Sagittarien und Cryptocorynen bilden in den Blattachseln
kriechende Stolonen, an deren Knoten sich Jungpflanzen bilden. Diese
bleiben
eine Weile mit der Mutterpflanze verbunden. Nach einiger Zeit stirbt
der
Stolon ab und die Jungpflanze steht alleine da.
In-Vitro
Eine Spezialform der vegetativen Vermehrung ist die
In-vitro-Kultur.
Dabei werden die Pflanzenteile in einem sterilem Medium kultiviert, bis
sie eine ausreichende Größe haben um in der Gärtnerei
weiter
zu wachsen.
"In-vitro" bedeutet im (Reagenz-) Glas und bildet das
Gegenstück zu "in vivo", was so viel bedeutet wie "im lebenden
Organismus".
In-vitro-Verfahren sind allgemein solche biotechnischen Vorgänge,
bei denen das Versuchsobjekt unter kontrolierten Bedingungen,
unabhängig
von den vielfältigen anderen Faktoren der belebten
Außenwelt,
in einem Reagenzglas oder einer Petrischale beobachtet wird. Auf diese
Weise können Ursache und Wirkung von Stoffwechselvorgängen
erforscht
werden. Als Beispiel kann man die Reaktion von einzelnen Zellen
(Bakterien,
isolierten Nerven-, Muskel- oder Krebszellen) auf Antibiotika,
Pilzgifte
oder Strahlung untersuchen.
Die in-vitro Kultur von Pflanzen wird bereits seit über 30 Jahren angewandt. Es handelt sich dabei um eine Form der vegetativen Vermehrung, die sich das Wissen um die hormonelle Regulierung im Pflanzenkörper zu Nutze macht. Während man bei der Vermehrung durch Stecklinge auf die selbstproduzierten Hormone der Pflanze in Triebspitze und Blattknoten angewiesen ist, werden in-vitro die Hormone künstlich zugeführt, um Wurzelbildung und Neuaustrieb zu erreichen.
Die zeitaufwendige und teure Vermehrung im Labor lohnt sich nur, wenn es sich um spezielle Pflanzen handelt. Wenn man zum Beispiel einen Kreuzungsversuch macht, kann es sein, dass von 500 oder 1000 Sämlingen zwei oder drei interessante Eigenschaften zeigen. Manchmal findet man auch einen interessanten Sämling mit unbekannten Eltern (z. B. Apfelsorte ´Boskoop´) oder es treten spontane Mutationen an Triebspitzen auf. Nun steht man vor dem Problem aus einer Pflanze eine Million zu machen. Besonders bei langsam wachsenden Pflanzen wie Gehölzen ist es schwierig eine Massenvermehrung durch Stecklinge zu erreichen. Dazu kommt, dass nicht jeder Steckling anwächst und mit jedem Schnitt an der Mutterpflanze Pforten für Krankheitserreger geöffnet werden. Aber auch die Vermehrung von krautigen Pflanzen ist manchmal schwierig. So bildet die Echinodorus-Sorte ´Apart´ zum Beispiel weder Blüten noch Ableger und die ertragreichsten Spargelsorten sind rein männlich. Tatsächlich werden in der Spargelproduktion lediglich männliche Pflanzen angebaut, weil die weiblichen Pflanzen einen Teil ihrer Energie in die Produktion von Früchten investieren und darum weniger Ertrag bringen. Rein männlichen Sorten kann man aber nur durch Teilung vermehren oder eben im Labor. Denn zumindest theoretisch benötigt man für die Vermehrung einer Pflanze im Labor nur eine einzelne Zelle, aus der dann ein genetisch identisches Doppel - ein Klon - der Mutterpflanze entsteht.
Es gibt verschiedene Formen von in-vitro Kultur. Am
häufigsten
werden Meristeme (aus Triebspitzen, Blattachseln, Blütenanlagen)
oder
Explantate (Stücke aus den Blättern, Stängeln oder
Wurzeln)
verwendet. Die Meristeme sind - wenn im Labor sorgfältig
gearbeitet
wird - frei von Bakterien und Viren. Es handelt sich um Teilungsgewebe
und damit um die jüngsten Zellen der Pflanzen. Sie sind durch
verschiedene
Schichten von Blattanlagen von der Umwelt abgeschnitten. Sie sind
winzig
und selbst unter dem Binokkular nur mit Mühe zu sehen. Explantate
können dagegen mehrere Zentimeter groß sein. Sie sind ihrer
Umwelt direkt ausgesetzt und sind in jedem Fall mit Bakterien, Algen
und
Pilzen überzogen. Das ist für die lebende Pflanze nicht von
Bedeutung,
für das abgeschnitte Blatt- oder Stängelstück ist das
aber
gefährlich. Darum werden die Explantate mit unterschiedlichen
Verfahren
desinfiziert. Hierbei können sie beschädigt werden und ihre
Lebensfähigkeit
verlieren, wenn das Desinfektionsmittel nicht nur die Fremdorganismen,
sondern auch die Pflanzenzellen angreift. Es erfordert etwa Erfahrung
und
Fingerspitzengefühl, um pflanzliches Material zu etablieren. Darum
reicht in der Praxis auch eine Pflanze nicht aus. Abhängig davon
wie
empfindlich die Art oder wie hartnäckig die Keime sind,
benötigt
man für die Etablierung im Labor 10 bis 20 oder etwa 1000 Pflanzen
oder Samen um etwa fünf bis zehn neue Kulturansätze zu
bekommen.
Um Keimfreiheit zu ermöglichen, werden
die Pflanzen |
Alle Materialien werden mit Druck und Hitze
|
Trotz der Sorgfalt kommt es vor, dass
sich Pilze |
Sehr selten kommt es vor, dass zu einem
späteren |
Bei anderen Verfahren wird nur mit Einzelzellen gearbeitet. In der Protoplastenkultur werden von entnommenen Pflanzenteilen durch Enzyme die Zellwände abgelöst. Danach ist der Zellinhalt (Chloroplasten, Mitochindrien, Zellkern etc.) nur noch von der Zellmembran umschlossen wie Reis in einem Kochbeutel. Diese Zellen können dann mit anderen kombiniert werden. Das entspricht in etwa der in-vitro Fertilisation (Befruchtung im Reagenzglas). Nur das dabei keine Ei- und Samenzellen, sondern Körperzellen verwendet werden.
Bei der Meristemkultur bildet sich aus jedem überlebenden Meristem direkt eine neue Jungpflanze. Bei der Verwendung von Explantaten bildet sich zuerste ein Kallus. Das ist undifferenziertes Gewebe, dass wiederholt geteilt werden kann. In dieser Form ist eine Pflanze in-vitro lagerbar. Sie bleibt in diesem Stadium und teilt sich weiter und wird umgebetettet und vermehrt, bis Hormone zugeführt werden, die die Bildung von Wurzeln, Stängeln und Blättern anregen. Es kommt vor, dass die Pflanzen mit der Zeit Schaden nehmen und sich nicht mehr auf die Gewächshauskultur umstellen lassen, Verkrüppelungen zeigen oder keine Pflanzen mehr aus dem Kallus hervorgehen können. Dann muss die Pflanze neu etabliert werden. Das ist aber erst nach mehreren Jahren der Fall.
Nachdem das pflanzliche Gewebe desinfiziert wurde,
wird
es auf ein steriles, abgekochtes Nährmedium gelegt. In der Regel
wird
dafür Agar verwendet. Eine gelatineartige Masse, die
ursprünglich
aus Algen gewonnen wurde. Dieser Masse werden Mikronährstoffe,
Hormone
und Vitamine zugesetzt. Anders als die vollständige Pflanze kann
das
Meristem oder der Kallus keine Vitamine bilden und ist darum auf eine
Versorgung
von außen angewiesen. Die genaue Zusammensetzung des Mediums
hängt
von der Pflanzenart und der Art der Vermehrung ab. Die
Protoplastenkultur
erfolgt zum Beispiel in einer Flüssigkeit und die Kalluskultur auf
einem festen Medium. In einem klimatisierten und beleuchteten Raum
werden
die Kulturgefäße aufgestellt.
In solchen Klimakammern werden die
Pflanzen |
Millionen von Pflanzen stehen so auf engstem Raum. |
Echinodorus in In-vitro Kultur. |
Anubias in In-vitro-Kultur. |
Nun beginnen die Zellen sich zu teilen. Das Meristem
beginnt
eine Jungpflanze zu bilden, die genetisch mit der Mutterpflanze
identisch
ist. Das Explantat bildet am Rand den undifferenzierten Kallus aus.
Nach
einigen Wochen wird der Kallus unter sterilen Bedingungen in kleinere
Stücke
geteilt und wächst auf einem neuen Medium weiter. Das wird so oft
wiederholt, bis ausreichend Material vorhanden ist. Dann wird der
Kallus
nach dem Teilen auf ein Medium gelegt, der eine andere
Hormonzusammensetzung
hat und die Bildung von Wurzeln, Sproßen und Blättern
ermöglicht.
Bis nach der Etablierung die ersten Pflanzen so groß sind, dass
sie
in einer Gärtnerei eingetopft werden können, vergeht etwa ein
Jahr. Eine Aquarienpflanze muss dann noch etwa 8 bis 12 Wochen in einem
Gewächshaus kultiviert werden, bevor sie verkauft werden kann.
In-vitro Pflanzen vor dem Topfen.
|
Manchmal geht auch etwas schief: |
In Mitteleuropa werden Aquarienpflanzen in
gewächshäusern
kultiviert. Anders lassen sich die notwendige Luftfeuchtigkeit und
Temperaturen
über 20 °C nicht dauerhaft erzielen. In der Regel werden
Stecklinge,
Ableger oder pflanzen aus der In-vitro-Kultur alle in Steinwolle
eingetopft.
Dieses Material entspricht in der Herstellung und Zusammensetzung dem
Dämmstoff,
der als Glaswolle bekannt ist. Hauptbestandteil ist Quarzsand. Das
Material
ist ungiftig und chemisch neutral. Es eignet sich gut für alle in
der Aquaristik verwendeten Pflanzen. Da Steinwolle keine
Nährstoffe
enthält muss die Düngung über das Wasser erfolgen.
Meistens
stehen die Pflanzen auf Tischen, auf denen Wasser mehrere Zentimeter
hoch
angestaut werden kann. Entweder fließt ständig Wasser
über
die Tische oder es wird mehrmals am Tag angestaut mit
dazwischenliegenden
Trockenzeiten. Im ersten Fall siedeln sich leicht Algen und
Wasserlinsen
auf dem Tisch an, die Luftfeuchtigkeit in den Gewächshäusern
ist durch ständige Verdunstung hoch und die Heizkosten steigen,
weil
durch die Verdunstung Wärme verloren geht. Der Vorteil ist, dass
die
Pflanzen ständig mit der NährlÖsung in Kontakt sind und
darum ohne Unterbrechung Nährstoffe aufnehmen können. Beim
Ebbe-Flut-System
benötigt man in der Regel weniger Wasser. Weil nicht überall
gleichzeitig Wasser sein muss, kann es von einem Tisch auf den anderen
gepumpt werden. Da die Wasseroberfläche geringer ist, verdunstet
weniger.
Außerdem muss weniger Wasser beheizt werden. So oder so - die
Steinwolle
wirkt wie ein Schwamm, der Wasser aufnimmt.
Auf solchen Tischen wachsen die ... |
...Pflanzen bei uns in Europa. |
In Malaysia, Singapur und Thailand sind Licht,
Wärme
und Luftfeuchtigkeit von Natur aus für die Kultur von
Aquarienpflanzen
optimal. Daher erfolgt dort die Kultur nicht in
Gewächshäusern,
sondern im Freiland. Die Stecklinge werden in den gewachsenen Boden
oder
in das schlammige oder kiesige Substrat von natürlichen oder
künstlichen
Gewässern gepflanzt. Diese Substrate haben in der Regel zumindest
einen geringen Nährstoffgehalt. In künstlich angelegten
Teichen
oder Betonbecken wird dem Boden Hühnermist als
Nährstoffquelle
zugesetzt.
In Asien werden submerse Kulturen in solchen
Teichen |
Zum Bepflanzen wird etwas Wasser in den
Teich |
Vorne ein frisch gefluteter Teich, |
In Ungarn werden Aquarienpflanzen im Wasser von
|
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