Was kosten unsere Lebensmittel?

geschwungene Linie

Wenn wir über Lebensmittelqualität und verantwortungsvollen Umgang mit Tier und Natur sprechen, werden immer eine Reglementierung, Gesetze und Verbote verlangt. Dem Landwirt soll schlicht verboten werden, seine Tiere mit Antibiotika zu behandeln, sie zu enthornen oder zu kupieren, Dafür schreiben wir ihm vor wieviel Platz ein Schwein zur Verfügung haben muss und womit er es füttern soll. Ich möchte hier jetzt einfach mal die Roulade von hinten aufrollen. Ich möchte über Wirtschaftlichkeit sprechen, denn der Landwirt ist selbstständiger Unternehmer, und über die (nicht) freie Marktwirtschaft mit Dumpinglöhnen und Subventionen.

Beispiel 1: Schweinefleisch
Es gibt viele Irrtümer über die Haltung von Mastschweinen.

Zum Beispiel, dass konventionelle Mastbetriebe routinemäßig alle ihre Schweine mit Antibiotika behandeln und das Bio-Schweine keine Antibiotika bekommen. Wahr ist, dass in konventionellen Betrieben, die Tiere quasi unter sterilen Bedingungen leben. Man kommt nur durch eine Schleuse mit Desinfektionsbad in den Stall. Die Luft ist gefiltert und Jeder der rein will bekommt einen Schutzanzug, damit Keime draußen bleiben. Wird ein Stall neu belegt kommen die Tiere aus einem Zuchtbetrieb in den sauberen Stall und bringen Keime mit. Bereits beim Züchter wurden die Tiere gegen verschiedene Krankheiten geimpft und bei Bedarf mit Antibiotika behandelt. Damit die Schweine ebenso sauber werden wie der Stall, bekommen sie beim Mäster einmal Antibiotika und sind dann weitgehend frei von Salmonellen und anderen Krankheitserregern. Sollten dann Krankheiten auftreten werden die Tiere dagegen behandelt.
Bio-Schweine bekommen diese "Startbehandlung" nicht, da vorbeugende Behandlungen (zu dene Manche auch das Impfen zählen) in der Bio-Produktion nicht zulässig sind. Werden die Tiere krank, werden sie (hoffentlich) mit passenden Medikamenten behandelt. Bevorzugt werden homöopathie Mittel eingesetzt. Antibiotika sind erlaubt. Wird ein Tier aber mehr als zweimal damit behandelt, ist es kein Bio-Schwein mehr!

Ein weiterer Irrtum ist, dass Bio-Tiere gesünder und länger leben. Die Mast eines Bio-Schweins geht genauso schnell wie die eines konventionellen Mastschweins. Es wird also nicht älter. Bio-Schweine sind auch häufiger krank, wenn sie zum Schlachter kommen. Parasitäre Lebenschäden kommen bei Bio-Schweinen mehr als doppelt so häufig vor, wie bei Tieren aus konventioneller Mast. Sie haben dazu viermal häufiger auch andere Leberschäden, mehr als dreimal mehr Gelenkentzüngungen und fünfmal mehr andere Gelenkschäden. Selbst das Schwanzbeißen kommt bei Bio-Schweinen häufiger vor. Das geht aus einer schwedischen Studie hervor.

Auch das Bio-Schweine munter auf der Wiese herumwühlen stimmt nicht. Schweine zerstören den Boden zu schnell und müssen ständig auf neue Flächen gebracht werden. Urin und Kot verschmutzen den Boden und gelangen ins Grundwasser. Lediglich einige Zuchtsauen laufen auf der Weide. Mastschweine nicht!

Bio-Schweinen geht es zum Teil schlechter als Tieren aus konventioneller Haltung. Das liegt daran, dass sie nicht sofort gegen Krankheiten behandelt werden, sondern erst dann, wenn es unvermeidbar wird. Einige Bio-Landwirte lehnen beispielsweise die Entwurmung der Tiere völlig ab. Auch ist das Bio-Futter für die Ferkel nicht ideal. Es gibt zu mit Pilzen verunreinigtem Futter und Stroh einen Bericht, der durch viele Foren gelaufen ist und an dem sich die Geister scheiden. Hier soll einem Landwirt angeblich alles Schlechte passiert sein, was ihm zustossen kann (bis hin zur Mutterkornvergiftung der Schweine). Deutlich seriöser ist der Bericht bei Quarks und Co. zu dem Thema (hier Seite 21).

Und dann wäre da noch die Wirtschaftlichkeit. Die Daten der folgenden Tabelle stammen aus einem Spiegel-Artikel.


Kosten für die Produktion von Schweinefleisch

konventionelle Schweinemast Bio-Schweinmast
Alter bei der Schlachtung 160 - 185 Tage 160 - 195 Tage
Lebendgewicht bei der Schlachtung 115 - 125 kg 120 - 125 kg
Stellplatzgröße pro Tier 0,85 qm 2,3 qm
Erzeugungskosten pro Tier 150 € 270 - 280 €
Verkaufspreis pro Tier 175 € 313 €
Ertrag pro Tier 25 € 35 €
Ertrag pro kg Tier bei 125 kg Schlachtgewicht 0,20 €/kg 0,28 €/kg
Ertrag pro Quadratmeter Stellfläche 29,40 € 15,22 €
Betriebgrößen maximal 5000 Tiere 500 Tiere
jährliche Einnahmen des Landwirts 125.000 € 17.500 €

Ein Landwirt, der konventionell Schweine mästet, kann davon leben. Ein Jahreseinkommen von 125.000 € Brutto für ein Ehepaar ist ok. Davon muss der Landwirt allerdings noch Steuern und Abgaben leisten (Einkommenssteuer, Krankenversicherung etc.). Der Stall ist vermutlich eher nicht aus der Portokasse bezahlt worden, so dass für die Investition mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kredit zu tilgen ist. Im Großen und Ganzen reicht es aber zum Überleben. Bei 5000 Schweinen!

Der Bio-Mäster braucht dagegen noch einen vernünftigen Job nebenbei. 17.500 € ist doch eher etwas knapp zum Leben.

Erstaunlich sind die niedrigen Preise, die der Landwirt für sein Fleisch bekommt. Die Werte in der Tabelle beziehen sich auf den Gewinn (abzüglich der Kosten) pro kg Schweinfleisch. Konventienell erzeugtes Schweinefleisch bringt 1,02 €/kg und Bio-Fleisch 2,24 €/kg. Die Produktion von Bio-Fleisch ist aber teurer, weil andere Futtermittel verwendet werden, die Einstreu Kosten verursacht und der Arbeistaufwand durch das Mistern größer ist. Das frisst den höheren Verkaufspreis fast völlig auf.
Der Verbraucher zahlt im Schnitt 6,75 € bzw. 16,80 € / kg (Quelle). Die Differenz von 5,73 € bzw. 14,56 € entfällt auf die fleischverarbeitende Industrie, den Einzelhandel und Transportkosten.
Das wirft nun aber Fragen auf. Wieso haben Schlachthöfe und Handel bei dem Fleisch von Bio-Schweinen mehr Gewinn als bei konventionellem Fleisch? Warum wird der höhere Verbraucherpreis nicht zu einem größeren Teil an die Landwirte weitergereicht? Immerhin kann das Schlachten eines Bio-Schweins nicht mehr Arbeit machen und die Verpackung ist auch die Selbe.

Ziel in der Schweinhaltung muss es sein, den Tieren ausreichend Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten zu geben. Sie müssen vollwertig ernährt werden und müssen tierärztlich versorgt werden. Ein grundsätzlicher Verzicht auf Entwurmung und Impfung dient nicht dem Tierwohl. Damit eine extensive Haltung möglich ist, muss der Landwirt mehr Gewinn am Schwein haben. Das bedeutet, dass wir als Verbraucher bereit sein müssen auch für konventionelles Fleisch aus deutscher Produktion mehr zuzahlen als bisher. Dann kann es sich der Landwirt leisten den Schweinen mehr Platz einzuräumen oder auch Futter ohne Gen-Soja zu verwenden. Ein Verbot von Soja in der Mast oder eine strengere Auflage zur Bestandsdichte, treibt deutsche Bauern dagegen nur in den Ruin. Dann kommt noch mehr Billigfleisch aus dem Ausland zu uns.
Nur um es abschließend noch einmal deutlich zu sagen: Jedes Tier im Stall eines Landwirtes ist Kapital. Jedes tote Tier ein finanzieller Verlust. Allein schon deshalb liegt jedem Landwirt etwas daran, dass sein Tiere gesund bleiben.

Beispiel 2: Getreidebau

Im Bio-Getreidebau ernten die Landwirte etwa 40 bis 50 % von dem, was ein konventioneller Landwirt erntet. Dafür muss er mehr Aufwand treiben, hat also auch höhere Kosten (Lohn, Maschinen et.). Es stellt sich also die Frage, was muss ein Landwirt für sein Getreide bekommen um die Kosten zu decken und von dem Gewinn zu leben.
Zunächst einmal: die Erzeuger-Preise schwanken gewaltig. Früher waren sie abhängig von der Ernte in der Region in der das Getreide verkauft wurde. Heute bestimmt der Weltmarktpreis, der hauptsächlich durch Börsenspekulationen zustande kommt den Erzeugerpreis für die Bauern in Deutschland.
Für Bio-Brotroggen bekamen die Landwirte 2009 und 2010 nur etwa 0,18 € / kg, 2012 waren es fast 40 Cent, 2013 gab es dann nur noch etwa 25 Cent pro kg. Bio-Brotweizen brachte in den letzten fünf Jahren immer etwa 40 Cent pro kg. Für Futterweizen schwankt der Preis zwischen 35 und 40 Cent/kg (Quelle). Durchschnittlich kann ein Landwirt für konventionell erzeugten Weizen etwa 180 €/t bekommen. 2008 - 2010 waren die Preise auf einem Tiefstand von etwa 125 - 130 €/t. 2008, 2011 und 2012 stiegen die Preise kurz über 250 €. Im September 2014 und im Mai 2015 sank der Preis für konventionell erzeugten Brot-Weizen auf 150 € pro Tonne! Das sind 0,15 € pro Kilo. (Quelle).
Für Bio-Weizen bekommt ein Landwirt also etwa das doppelte bis zweieinhalbfache im Vergleich zum konventionellen Landwirt. Da er aber weniger erntet und zusätzlich mehr Kosten hat, reicht das nicht immer, um die Kosten zu decken. Für die Landwirte ist es darum oft wirtschaftlicher das Getreide an die eigenen Tiere zu verfüttern, als es unter Wert auf den Markt zu bringen. Bio-Fleisch und Bio-Milch bringen mehr Gewinn als Bio-Getreide. Wegen der niedrigen Getreidepreise stehen die konventionellen Landwirte vor dem selben Problem. Sie bekommen zwar kaum ausreichend Geld für ihre Milch, können aber das Risiko von Verlusten senken, wenn sie als weiteres Standbein Fleisch und Eier produzieren.

Anders herum wirkt sich ein steigender Weltmarktpreis für Weizen und Reis negativ auf die Ernährung der Menschen in ärmeren Ländern aus. Steigen die Preise werden sie an die Verbraucher weiter gegeben. Die Folge ist, dass die Menschen mehr von ihrem Einkommen für Grundnahrungsmittela augeben und weniger für Gemüse oder Obst erübrigen können. Dadurch wird Mangelernährung und Hunger verstärkt. Problematisch ist nicht ein realer Mangel an Nahrung oder dass wir zuviel Getreide verbrauchen, weil zuviel Fleisch essen.

Das Ende von Bio?

Ein Landwirt muss mit der Verkauf seiner Produkte seine Kosten decken können und genug Gewinn erwirtschaften, um zu investieren und zu leben.
Jedes Jahr geben etwa 600 Landwirte, die auf Bio-Produktion umgestellt hatten auf und produzieren dann wieder konventionell (Quelle). Sie tun dass, weil ihnen keine andere Wahl bleibt. Wir bezahlen zwar für unsere Bio-Lebensmittel mehr, aber der höhere Preis wird nicht im gleichen Maße an die Landwirte weiter gegeben. Der Verbraucher zahlt im Schnitt etwa 10 € mehr für 1 kg Bio-Schweinefleisch als für konventionelles Fleisch. Davon erhält der Landwirt gerade einmal 1,10 €. Durch die höheren Erzeugungskosten liegt der Gewinn pro kg Fleisch gerade einmal 0,08 € über dem von konventionellem Schweinefleisch.
Die Kosten für die Produktion von Bio-Produkten sind hoch. Gleichzeitig kommt billigere Bio-Ware aus dem Osten zu uns. Um rund 20 % unterbieten die Ukrainer unsere Landwirte. Steigende Pachtpreise und Konkurrenz durch Mais für Biogasanlagen und Raps für Bio-Sprit lassen die Bio-Anbauflächen weiter sinken. So hat die Bio-Landwirtschaft in Deutschland keine Zukunft.

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Quellen:

Börsenspekulationen auf Nahrungsmittel töten Menschen Biotierhaltung ist besser?

Schweine würden Bio kaufen

Öko ist nicht immer besser

Epidemiologische Untersuchungen zur Tiergesundheit in Schweinezuchtbeständen unter besonderer Berücksichtigung von Managementfaktoren und des Einsatzes von Antibiotika und Homöopathika

Schlechter Gesundheitsstatus bei Bio-Tieren

Ökobranche übt Selbstkritik

System der Schweinehaltung

Preise für Bio-Lebensmittel

Vergleich zwischen konventioneller und biologischer Schweinemast

Deutsche Bio-Bauern haben nichts vom großen Bio-Appetit

Mit Bio in die Pleite? (Video) Entwurmung von Schweinen

Ökolandbau in Deutschland

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