Zwergdeckelschnecken (Hydrobiidae) und Schnauzenschnecken (Bithyniidae)

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Diese "Miniatur-Sumpfdeckelschnecken" erreichen im Extremfall eine Gehäusehöhe von 11mm.
Ihr Gehäuse ist kegelförmig bis getürmt. Die Oberfläche ist in der Regel glatt. Die Fühler sind fadenförmig. Alle Arten dieser Familien sind getrenntgeschlechtig. Männchen treten bei den Hydrobiidae in der Regel jedoch nur selten auf. Hauptsächlich erfolgt ihre Vermehrung durch Jungfernzeugung (Parthenogenese). Bei den Schnauzenschnecken ist das Geschlechterverhältnis in der Natur ausgeglichen (1:1). Es gibt einige lebendgebärende Arten. Als Nahrung dienen Algen, Detritus und Kahmhaut. Einige können Plankton aus ihrem Atemwasser filtern.
In der Systematik werden die Familien an Hand ihrer Statocysten unterschieden. Bei den Hydrobiidae ist in den Gleichgewichtsorganen ein einzelner Kalkkörper, der als Statolith bezeichnet wird. Bei den Bithyniidae gibt es dagegen mehrere kleine Kalkkörper, die Statoconien.
 

Familie Hydrobiidae - Zwergdeckelschnecken

Neuseeländische Deckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum)
Diese kleine Schnecke lebt im Süß- oder Brackwasser von Fließ- und Stillgewässern auf Sand, Schlamm und Steinen. Der wissenschaftliche Artname (antipodarum = "von den Antipoden") weißt auf eine zu Neuseeland gehörende Inselgruppe hin, von der die Tiere ursprünglich stammen. Bereits 1850 wurde sie zum ersten Mal in England gefunden. Vermutlich brachten Aquarianer sie aus Neuseeland oder Australien mit. In der deutschen Ostsee wurde sie 1887 nachgewiesen. Sie verträgt Salzkonzentrationen von bis zu 1,7 %. Im deutschen Binnenland breitet sie sich seit 1899 von Norden nach Süden aus. Die Art tritt häufig in Massen auf. Bis zu 100.000 Tiere wurden schon auf einem Quadratmeter gezählt.
Ihr Gehäuse ist bis 6 mm hoch und 3 mm breit. Es ist gelblich, kegelförmig mit runden Windungen. Der Körper ist bläulich-grau. Der Anteil männlicher Tiere ist sehr gering. Hauptsächlich erfolgt die Vermehrung parthenogenetisch. In Europa wurden erst sehr spät Männchen dieser Art entdeckt. Die Tiere sind lebendgebärend und können täglich 2 bis 3 Jungtiere freisetzen. Die Gehäuse der Jungtiere sind nur etwa 0,5 mm hoch. Nach zwei Monaten sind sie geschlechtsreif, werden dafür selten älter als 7 Monate.
 
 

Familie Bithyniidae - Schnauzenschnecken


Langfühlerige Schnauzenschnecke (Bithynia tentaculata)

Diese Schnecke hat ein rötlich braunes oder graues, transparentes kegelförmiges Gehäuse. Es ist 8-11 mm hoch, 5-7 mm breit. In stark nährstoffhaltigen Gewässern wird die Art auch bis 15 mm hoch und 9,5 mm breit. Dann wird sie auch als B. tentaculata f. producta bezeichnet. Das Gehäuse ist durchscheinend, so dass man die Flecken auf dem Mantel sehen kann. Die Windungen sind nur wenig gewölbt. Das Operculum ist spitz-oval. Der Körper ist hell- bis dunkelgrau mit gelblichen Punkten.
Ab einer Größe von 7 bis 9 mm sind die Tiere fortpflanzungsfähig. Im Juni/Juli werden jeweils 20 bis 60 Eier in zwei bis drei Reihen in einer Laichschnur abgelegt, die etwas an Eierkartons erinnert. Innerhalb einer Laichperiode kann ein Weibchen 100 bis 900 Eier produzieren. Davon entwickeln sich mehr als 85%. Nach zwei bis drei Wochen schlüpfen die Jungschnecken. Die Tiere werden bis zu drei Jahre alt.
 
 
 

Die Art kommt sowohl in fließenden als auch in stehenden Gewässern vor und verträgt Brackwasser. Sie ist häufig und dient als Fischnahrung. Daher hat sie auch den Populärnamen Schleischnecke. Sie ist in Deutschland verbreitet und in ganz Europa und Vorderasien unterhalb von 2000 m sehr häufig. Vereinzelt treten Populationen im Norden von Marokko und Algerien auf. Die Art wurde bereits 1871 im Lake Michigan (USA) gefunden. Vermutlich wurde sie zusammen mit Schilf eingeführt, das früher als Packmaterial verwendet wurde. Sie richten im Aquarium keinen Schaden an und sind recht interessante Haustiere.
Bei der Bauchigen Schnauzenschnecke (Bithynia leachii leachii) ist das kegelförmige Gehäuse im Schnitt etwa 4-6 mm hoch und 2-4 mm breit. Die Mündung und das Operculum sind unregelmäßig oval. Die Windungen sind bauchiger als bei B. tentaculata und durch eine deutliche Naht getrennt.
Die einzelnen Gelege bestehen aus 1 bis 50 Eiern. Im Verlauf der Laichperiode nimmt die Zahl der Eier pro Gelege deutlich ab. Mehr als 95% der Eier entwickeln sich zu lebensfähigen Schnecken. Die Art besiedelt pflanzenreiche, fließende oder stehende Gewässer. Sie stellt höhere Ansprüche an die Wasserqualität als B. tentaculata, kommt aber auch mit dieser zusammen  vor.
Beim Flusssteinkleber (Lithoglyphus naticoides) ist das Gehäuse kugelig, bis 9 mm hoch und 7,5 mm breit. Das weiße bis grünlichgelbe Gehäuse ist sehr fest. Der Körper ist weiß mit gelblichen Punkten. Der breite Fuß ist vorne gespalten. Das Weibchen legt ab April seine Eier einzeln in ca. 1 mm großen, gelblichen Eikapseln ab. Diese sind sehr häufig auf den Gehäusen von Artgenossen zu finden.
Die Tiere leben verstreut in Kanälen und größeren Flüssen auf Sand und Schlamm. Nicht, wie der deutsche und auch lateinische Name vermuten lassen, auf Steinen. Sie bevorzugen Gewässerzonen mit geringer StrÖmung. Die Tiere benötigen sauerstoff- und kalkreiche Gewässer. Unter günstigen Bedingungen können sie 3 bis 5 Jahre alt werden.
Ursprünglich stammen diese Schnecken aus Südosteuropa. 1870 waren sie im Gebiet von Elbe und Rhein weit verbreitet, starben dann zur Mitte des 20. Jahrhunderts durch die zunehmende Gewässerverschmutzung fast aus und werden heute wieder häufiger. Diese Art steht in Deutschland auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Sie sind selten in Aquarien zu finden.
 



Literatur:

GlÖer, P. (2002): Die Tierwelt Deutschlands - Teil 73: Die Süßwassergastropoden Nord- und Mitteleuropas - Bestimmungsschlüssel, Lebensweise, Verbreitung.- Conch Books, Hackenheim

Ludwig, H.W. (2003): Tiere und Pflanzen unserer Gewässer.- 1. Auflage, BLV Verlagsgesellschaft mbH, München

Schwab, H. (1995): Süßwassertiere - Ein Ökologisches Bestimmungsbuch.- 1. Auflage, Ernst Klett Schulbuchverlag GmbH, Stuttgart

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