Blasenschnecken - Familie Physidae

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Blasenschnecken sind sehr lebhafte und bewegliche Tiere.

Blasenschnecken sind im Aquarium nützliche Resteverwerter. Sie können sich aber rasant vermehren, wenn sie zu viel Futter bekommen. Hier erfahrt ihr alles Wissenswerte über diese kleinen Schnecken im Aquarium und im Teich.

Allgemeines über Blasenschnecken

Blasenschnecken gehören zu den Lungenschnecken. Sie können an der Wasseroberfläche Luft in ihre Mantelhöhle aufnehmen und den Sauerstoff daraus nutzen, während sie unter Wasser sind. Zusätzlich verfügen sie zum Teil über sekundäre Kiemen. Das sind Fransen oder Lappen am Rand des Mantels, die zum Austausch von Gasen mit dem Wasser über die Haut dienen. Die Blasenschnecken werden oft mit Schlammschnecken (Lymnaeidae) verwechselt. Blasenschnecken sind aber leicht an ihrem linksgewundenes Gehäuse, den fadenförmige Fühler und einen schmalen, spitz zulaufenden Fuß zu erkennen. Ein weiteres, deutliches Erkennungszeichen sind die sekundären Kiemen, die bei manchen Arten in fransigen Lappen weit über das Gehäuse geschlagen sind.

Die Artunterscheidung zwischen den einzelnen Blasenschnecken ist schwierig. Vielfach basieren die Artbeschreibungen auf Merkmalen des Genitalsystems, dass nur am präparierten Tier unter dem Mikroskop zu erkennnen ist. Die Form des Gehäuses ist stark abhängig von den Lebensbedingungen der Tiere und auch die Körperfärbung ist sehr variabel.



Windungsrichtungen

Die meisten Schneckengehäuse sind rechtsgewunden. Bei den Blasenschnecken ist die Windungsrichtung aber anders herum. Sie sind linksgewunden.
Vergleich zwischen Schlammschnecken und Blasenschnecken

Direkter Vergleich vom Körperbau der Schlammschnecken mit dem der Blasenschnecken.

Systematik der Blasenschnecken

Es gibt etwa 80 Arten von Blasenschnecken weltweit. Sie werden von Taylor in 23 Gattungen unterteilt, wobei Merkmale des Penis zur Abgrenzung dienen. 11 der Gattungen wurden dabei erst 2003 von ihm neu aufgestellt.
Wethington (2004) schlägt dagegen vor, dass die Familie nur in zwei Gattungen - Aplexa und Physa - unterteilt werden sollte. Die Unterschiede im Bau der Geschlechtsorgane möchte sie als Merkmal von Untergattungen werten. Bei dieser Unstimmigkeit zwischen den Autoren geht es für Aquarianer aber lediglich um eine nomenklatorische Formalität. Es geht um die Frage, ob die in unseren Aquarien häufigste Blasenschnecken-Art Physella acuta oder Physa (Physella) acuta heißen soll.
Ich folge hier den Bezeichnungen von Glöer (2002). Er unterscheidet die drei Gattungen Aplexa, Physa und Physella in Europa an Hand ihrer Gehäuseform. Bei Aplexa ist das Gehäuse schmal und das Gewinde höher als die Mündung.
Das Gehäuse von Physa hat eine stumpfe, abgerundete Spitze, die Naht ist meist nicht deutlich zu sehen.
Bei Physella ist das Gehäuse spitz, die Naht ist leicht abgesetzt und die Mündung ist so hoch wie oder höher als das Gewinde.

Blasenschnecken im Aquarium

Blasenschnecken haben sich die Beschreibung "flink", "beweglich" und "lebhaft" verdient. Sie kriechen sehr schnell und bewegen sich zusätzlich auch noch an Schleimfäden schwebend durch das Becken. Bei Gefahr lassen sie ihre Unterlage los und schlagen mit dem Fuß, so dass sie über den Boden rollen oder durch das Becken treiben. Auf diese Weise versuchen sie Fressfeinden wie Egeln oder Insektenlarven zu entkommen. Bei Blasenschnecken kann man deutlich sehen, dass Schnecken Fluchttiere sind. Diesen Schnecken sieht man regelrecht an, dass sie in Panik verfallen.
Blasenschnecken sind harmlos. Sie leben in Wasserpflanzengärtnereinen und botanischen Gärten, sowie in den meisten Aquarien. Sie werden häufig mit Wasserpflanzen ins Aquarium eingeschleppt. Die Jungschnecken sind sehr klein und die kleinen, transparenten Gelege sind schwer zu sehen. Als Nahrung dienen weiche Futterreste, Algen, Kammhaut und abgestorbenes Pflanzenmaterial. Pflanzen werden nicht geschädigt.
Die Eier werden in gallertartigen Gelegen an Pflanzen oder andere feste Unterlagen geklebt.

Blasenschnecken als Schneckeplage im Aquarium?

Blasenschnecke im Aquarium

Aus den Gelegen von Blasenschnecken schlüpfen viele winzige Jungtiere.

Die Tiere sind bereits mit 6 bis 8 Wochen geschlechtsreif. Da sie Zwitter sind legt jedes Tier Eier. 50 bis 100 Eier können es in einer Woche sein. Blasenschnecken können sowohl Spermien speichern, als auch ihre Eier selbst befruchten. Dadurch kann auch mit einem einzelen Tier eine große Population starten. Je besser die Nahrungsversorgung ist, desto mehr Eier produzieren die Tiere.
Blasenschnecken fressen Algenaufwuchs, Futterreste und können auch aus dem Kot von Fischen noch Nährstoffe gewinnen. Darum vermehren sich die Schnecken in Aquarien mit Fischen auch dann gut, wenn kein Futter zu Boden sinkt. So lange die Fische gefüttert werden und Kot absetzen und sich Mikroorganismen auf den Scheiben und Pflanzen befinden, kommen die Blasenschmecken gut zurecht.
Weniger zu Füttern kann die Vermehrungsrate der Blasenschnecken verringern. Blasenschnecken werden aber ungefähr ein Jahr alt. Selbst wenn die Tiere aus Nahrungsmangel (der in eine laufenden Aquarium nie so massiv auftritt) gar keine Eier mehr legen würden, wäre eine Abnahme der Population erst nach einem Jahr sichtbar. Wahrscheinlicher ist, dass die Tiere statt 50 Eier in der Woche vieleicht nur noch 10 legen. Es lässt sich durch eine verringerte Fütterung bei diesen Tieren also tatsächlich nur die Vermehrungsrate etwas senken. Da sie keine Pflanzen anfressen, sind sie bei Massenvermehrungen aber auch nur aus ästhetischen Gesichtspunkten lästig. Sie halten das Aquarium sauber und beseitigen Algen.
Wenn sie dann aber doch so lästig sind, dass Ihr meint, sie müssten dezimiert werden, dann bitte niemals mit Gift. Die toten Tiere verwesen im Aquarium und es gibt dann Niemanden mehr, der die Kadaver beseitigt. Außerdem töten die eingestezten Mittel zusätzlich Filterbakterien und zum Teil auch Pflanzen ab.
Fische zur Bekämpfung von Schnecken einzusetzen ist meistens ein zweischneidiges Schwert. Kugelfische müssen Erstatznahrung bekommen, wenn die Schnecken weg sind. Die nehmen sie nicht immer an und ihre "Schnäbel" werden auch ohne das Zerbeißen der Schneckengehäuse nicht abgenutzt. Darum ist eine artgerechte Haltung von Kugelfischen eigentlich nur möglich, wenn Ihr nebenbei wieder Schnecken züchtet. Das führt den Einsatz der Tiere gegen Schnecken also schon vom Prinzip her ad absurdum. Dazu kommt, dass viele Arten anderen Fischen in die Flossen beißen. Andere Fische wie Prachschmerlen werden für die meisten Aquarien zu groß.
Es ist viel einfacher die Schnecken mit anderen Wirbellosen zu bekämpfen. Eine Möglichkeit ist das Einsetzen von Raubschnecken. Sie können aber auch anderen Schnecken wie Apfelschnecken, Tylomelania oder Brotia gefährlich werden. Außerdem vermehren sie sich gut im Aquarium und sind selbst auch schwer wieder loszuwerden. Da sie sich eingraben, sind sie äußerst schwer im Becken zu finden. Sie fressen auch Futterreste, sterben also nicht, wenn die anderen Schnecken ausgerottet sind.
Zwergflußkrebse und Langarmgarnelen können die dünnen Gehäuse der Blasenschnecken problemlos knacken oder die Tiere aus ihrem Gehäuse ziehen. Meistens beseitigen diese Tiere die Schnecken nicht restlos. Es bleiben immer noch welche, die weiter das Aquarium putzen. Dazu sind Krebse und Garnelen gut in den meisten Aquarien zu halten und unproblematisch zu ernähren.

Spitze Blasenschnecke - Physella acuta

Blasenschnecke im Aquarium

Spitze Blasenschnecke (Physella acuta) im Aquarium

Physa fontinalis

Die Quellblasenschnecke (Physa fontinalis) hat eine stumpfe Gehäusespitze. Die Mantellappen der linken Seite sind so weit über das Gehäuse geschlagen, dass sie auf der rechten Seite über der Gehäusespitze sichtbar sind.
Spitze Blasenschnecke im Aquarium

Die Spitze Blasenschnecke (Physella acuta) ist weit verbreitet.

Das Gehäuse ist 8-12 mm hoch und 5-7 mm breit. Es hat 5 bis 6 schwach gewölbte Umgänge. Der Mundsaum ist an der Spindelseite zu einer flachen Lippe verbreitert. Ein schwacher Kallus bedeckt den Nabel. Die Parietalis und die Spindel gehen nicht gerade ineinander über, sondern treffen in einem stumpfen Winkel aufeinander. Dadurch bildet sich eine Welle, durch welche die Mündung ohrförmig erscheint. Das Gehäuse ist gelblich hornfarben. Da es sehr dünn ist, scheinen die dunklen und hellen Flecken auf dem Mantel des Tieres durch. Auf der rechten Seite ist der Mantel weit über das Gehäuse geschlagen. Diese Mantelfransen dienen den Tieren als sekundäre Kieme, zusätzlich zur Lunge.
Die Spitze Blasenschnecke kann auch noch in stark belastetem Wasser leben und ist dort häufig die einzige Art. Ursprünglich stammt sie aus Südwesteuropa. Sie wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Wasserpflanzenhandel verbreitet. Sie lebt heute überall in Europa und auch in großen Teilen der USA. In Wasserpflanzengärtnereien und in den Wasserbecken botanischer Gärten tritt sie meist zusammen mit verschiedenen Schlammschnecken auf.

Synonym werden für Physella acuta die Namen Physa acuta und Physella heterostropha (Dillon et al. 2002) verwendet. Physa natricina ist ein Synonym für Physa acuta (Rogers und Wethington 2007) und damit auch für Physella acuta. In einer Mitteilung von 1906 wird angegeben, dass "Physa acuta" im Aquarium den Laich von Lymnaea stagnalis und in der Natur "junge Paludinen verzehrte" (Sigl 1906). Es ist unwahrscheinlich, dass hier die Artbestimmung korrekt ist. "Junge Paludinen" (Viviparus sp.) sind bei ihrer Geburt etwa 5 bis 6 mm groß. Die Blasenschnecken sind nur wenig größer. Darüber hinaus sind Blasenschnecken keine Räuber und die deckeltragenden Vivipariden keine leichte Beute. In einer anderen Quelle heißt es Physa acuta fresse Hydra (Meineken 1950)und Laich. Wahrscheinlich liegt hier eine Verwechselung mit Spitzschlammschnecken vor. Die räuberisch ist.

Quellblasenschnecke -Physa fontinalis

Die Quellblasenschneckeist ebenfalls bei ins heimisch. Man kann sie leicht von der Spitzen Blasenschnecke unterscheiden, da bei ihr der Mantel auf beiden Seiten in fransigen Lappen über das Gehäuse geschlagen ist. Das Gehäuse ist 7-12 mm hoch und 4-7 mm breit. Es ist eiförmig mit einem sehr kurzen, stumpfen Gewinde, und hell- bis dunkelbraun und glänzend. Das Muster auf dem Mantel scheint durch das Gehäuse.
Die Tiere werden etwa 1 Jahr alt. Von April bis September werden Eiballen mit 10-30 Eiern abgelegt. Die jungen Schnecken schlüpfen nach 2-4 Wochen. Diese Art lebt in klaren, pflanzenreichen Fließ-und Stillgewässern.

Moosblasen- oder Moorpuppenschnecken - Aplexa hypnorum

Das Gehäuse der Moosblasenschnecke ist 9-15 mm hoch und 4-6 mm breit. Es ist schlank spindelförmig, gelb bis rotbraun und glänzend. Die Windungen sind nur schwach gewölbt. Die Gelege enthalten 15 bis 35 Eier, aus denen nach zwei bis drei Wochen die Jungen schlüpfen. Diese Art lebt in Wald- und Wiesentümpeln, die regelmäßig austrocknen. Sie ist in Deutschland weit verbreitet und kommt bis nach Sibirien vor. Die Art soll in Japan eingeschleppt worden sein. Die Tiere werden etwa ein Jahr alt.
In diesen Schnecken wurden vor einigen Jahren zum ersten Mal in Frankreich Trematoden-Larven von Schistosoma-Erregern gefunden. In den Schnecken enthaltene Cercarien wurden der Art Heterobilharzia americana zugeordnet. Sie verursachen beim Menschen eine so genannte "Badedermatitis". Bis dahin waren Infektionen von Blasenschnecken mit diesen Erregern unbekannt (Gérard 2004).

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Quellen:

Dillon, R. T.; Wethington, A. R.; Rhett, J. M. & Smith, T. P. (2002): Populations of the European freshwater pulmonate Physa acuta are not reproductively isolated from American Physa heterostopha or Physa integra.- Invertebrate Biology, 121: 226-234

Gérard, C. (2004): First occurrence of Schistosomatidae infecting Aplexa hypnorum (Gastropoda,Physidae) in France.- Parasite Jun ; 11(2), 231-234

GlÖer, P. (2002): Die Süßwassergastropoden Nord- und Mitteleuropas.- Die Tierwelt Deutschland Band 73

Meinken, H. (1950): In den Mitteilungen des “Roßmäßler” Bremen.- DATZ 3, 12-13

Poenicke (1906): Kleine Mitteilungen – Bemerkenswerte Funde.- Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 17, 169

Rogers, D.C., Wethington, A. (2007): Physa natricina Taylor 1988, junior synonym of Physa acuta Draparnaud, 1805 (Pulmonata: Physidae).- Zootaxa 1662: 45 - 51

Schwab, H. (1995): Süßwassertiere - Ein Ökologisches Bestimmungsbuch.- 1. Auflage, Ernst Klett Schulbuchverlag GmbH, Stuttgart

Sigl, C. (1906): Kleine Mitteilungen Physa acuta fressen den Laich von anderen Schnecken?- Blätter für Aquarien- und Terrarienkunde 17, 17-18

Taylor,  D.W. (2003): Introduction to Physidae (Gastropoda: Hygrophila); biogeography, classification, morphology.- Rev. Biol. Trop. 2003 51 Suppl 1, 1-263, 265-287

Wethington, AR (2004): Family Physidae. A supplement to the workbook accompanying the FMCS Freshwater Identification Workshop, University of Alabama, Tuscaloosa, 24 pp

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