Napfschnecken - Patellidae

geschwungene Linie

Allgemeines und Systematik

Die Napfschnecken (Familie Patellidae) sehen heute noch in etwa so aus wie die Schnecken im frühen Kambrium vor rund 580 bis 550 Mio. Jahren. Zusammen mit den Meerohren, den Kreiselschnecken und den Turbanschnecken gehören sie zu den ursprünglichsten Vertretern der Klasse Gastropoda. Sie leben am Meeresgrund an an Felsenküsten.



Teichnapfschnecken Flußnapfschnecken Meeresnapfschnecken
Klasse Schnecken (Gastropoda) Schnecken (Gastropoda) Schnecken (Gastropoda)
Klade Hygrophila Eupulmonata Patellogastropoda
überfamilie Acroloxioidea Planorboidea Patelloidea
Familie Acroloxidae Planorbidae Patellidae
Gattungen Acroloxus Ancylus, Ferrissia Patella, Cellana, Acmaea


Gehäuse verschiedener mariner Napfschnecken

verschiedene Napfschnecken. Die Linke in der unteren Reihe ist Scutellastra chapmani (Syn. Patella chapmani). Daneben eine "Falsche Napfschnecke" mit einer Ausbuchtung für das Atemloch.

der Fuß ist breit und kräftig

Das Gehäuse ist unten offen.



Napfschnecken leben im Gezeitenbereich der Meere und weiden Algen von harten Untergründen.

Meeresnapfschnecken haben ein sehr festes Gehäuse. Sie sind meist zwischen 3 und 6 cm lang. Einige Arten sind aber auch kleiner und andere werden bis zu 10 oder 11 cm groß. Man findet sie in der Brandungszone der Meere auf Felsen. Manche leben im oberen Gezeitenbereich und sind bei Niedrigwasser auf dem Trockenen.

Typisch für Echte Napfschnecken ist das napfförmige, ungewundene Gehäuse, dass unten völlig offen ist. Ein Deckel fehlt. Die Gehäusespitze (Apex)ist mehr oder weniger von der Mitte nach vorne verschoben. Der Umriß des Gehäuses ist meist oval bis eiförmig, kann aber auch sehr unregelmäßig sein, weil er sich beim Wachsen dem Substrat anpasst. Der Körper wird ganz von der Schale bedeckt. Der breite Fuß ist oval. Er wird von einem Saum aus zahlreichen Tentakeln umgeben. Der kleine Kopf trägt zwei Fühler. Die Radula ist docogloss. Sie besteht aus einem langen Balken mit vielen Reihen von Mittelzähnen, die auf beiden Seiten Zwischenplatten und Seitenplatten haben. Die Zähne sind starr auf der Membran und können sich nicht seitwärts bewegen. Zur Verstärkung werden Mineralien in die Zähne eingelagert. Die Tiere haben nur eine Herzvorkammer. Ihre echten Kiemen (Ctenidien) sind zurückgebildet und durch einen Kranz aus Hautlappen ersetzt.

äußerlich ähnlich sind die "Falschen Napfschnecken" aus der Familie der Siphonariidae (ca. 80 Arten). Sie sind Lungenschnecken, die über ein Atemloch Luft aufnehmen. In ihrem Gehäuse gibt es eine Ausbuchtung an der Stelle an der das Atemloch sitzt. Darum sind ihre Gehäuse nicht symmetrisch, sondern haben eine Ausbuchtung an der rechten Seite.

Überfamilie Eoacmaeoidea Familie Eoacmaeidae
Gattung Eoacmaea

Überfamilie Patelloidea
Familie Patellidae
Gattung Ansates (Synonym: Patina)
Gattung Cymbula
Gattung Helcion
Gattung Patella
Gattung Rhodopetala
Gattung Scutellastra

Überfamilie Lottioidea Familie Nacellidae
Gattung Cellana
Gattung Macclintockia
Gattung Nacella
Gattung Naccula
Familie Lepetidae
Unterfamilie Lepetinae
Gattung Bathylepeta
Gattung Cryptobranchia
Gattung Iothia
Gattung Lepeta
Gattung Limalepeta
Gattung Maoricrater
Gattung Notocrater
Unterfamilie Propilidiinae
Gattung Propilidium
Gattung Sagamilepeta
Familie Pectinodontidae
Unterfamilie Pectinodonta
Gattung Pectinodonta
Unterfamilie Problacmaea
Gattung Problacmaea
Unterfamilie Bathyacmaea
Gattung Bathyacmaea
Familie Lottiidae
Unterfamilie Lottiinae
Tribus Lottiini
Gattung Lottia
Tribus Scurriini
Gattung Scurria
Unterfamilie Patelloidinae
Gattung Actinoleuca
Gattung Asteracmea
Gattung Atalacmea
Gattung Collisella
Gattung Discurria
Gattung Nipponacmea
Gattung Niveotectura
Gattung Notoacmea
Gattung Patelloida
Gattung Radiacmea
Gattung Tectura
Familie Neolepetopsidae Gattung Neolepetopsis
Gattung Eulepetopsis
Gattung Paralepetopsis

Napfschnecken auf einem Stein

Napfschnecken sind faszinierend. Sie leben im Gezeitenbereich und der Brandungszone von Küsten. Das bedeutet, dass sie starkem Wellengang ausgesetzt sind und sehr fest am Substrat haften müssen, damit sie nicht fortgespült werden. Sie können eine Haftkraft von 3,5 kg pro Quadratzentimeter aufbringen. Außerdem sitzen viele Arten täglich zweimal bei Ebbe auf dem Trockenen. Dabei müssen sie nicht nur für die gesamte Zeit Wasser unter ihrer Schale halten um nicht auszutrocknen, sie müssen auch mit dem Sauerstoff auskommen, der in diesem Wasser ist, denn sie atmen mit Kiemen. Napfschnecken im oberen Gezeitenbereich haben darum höhere Gehäuse in denen mehr Wasser gespeichert werden kann. Tiere, die weiter unten leben, haben flachere Gehäuse. Dabei trotzen die Tiere auf den Felsen im Sommer teilweise Temperaturen von über 40 °C.
Die Lebensweise von Napfschnecken ist ebenfalls ganz besonders. Die Tiere sitzen tagsüber in selsbtgeschabten Mulden auf dem Fels. Ihr Gehäuse passt sich der Form der Mulde perfekt an. Nachts machen sich die Tiere auf Nahrungssuche und wandern sie immer links herum in einem Kreisbogen auf ihrem Stein herum. Wird es Tag kehren sie auf ihren Stammplatz zurück. Dazu folgen Sie ihrer eigenen Schleimspur zurück. Finden Sie an ihrem Stammplatz ein anderes Tier vor, wird es von der Stelle wegegschoben. Einige Arten sind territorial und schupsen andere Muscheln und Schnecken aus ihrem Revier.

Lebensweise und Fortpflanzung

Napfschnecken sind standorttreu. Sie sitzen während des Tages immer an der selben Stelle und suchen Nachts ihre Nahrung immer auf dem selben Stein. Daraus ergeben sich gleich zwei Probleme. Erstens: auf dem Stein müssen immer schnell genug ausreichend Algen nachwachsen, damit die Schnecke nicht hungert. Zweitens: Wer nie aus dem Haus geht, lernt nie neue Leute bzw. keine Sexualpartner kennen. Wo kommen also die kleinen Schnecken her? Und wo sind die eigentlich?
Nehmen wir mal als Beispiel die kalifornische Napfschnecke Lottia gigantea. Sie wird bis zu 11 cm lang und hat ein sehr flaches, glattes Gehäuse. Ihre Gehäusspitze sitzt nahe am vorderen Rand und dient als Rammbock. Die Tiere sind territorial und schupsen Muscheln und andere Schnecken von ihrem Stein um sie als Nahrungskonkurrenz auszuschalten. Sie weiden ganz gezielt immer nur etwa 30 % der Algen von einer Stelle ab, damit die Flächen schnell wieder zuwachsen und pflegen so einen Algengarten, der ihre Ernährung sichert.
Nun ist die Schnecke also Selbstversorger und hat immer genug Futter. Aber wie pflanzt sich so ein Rüpel fort?
Im Januar oder Februar geben die Tiere Eier und Sperma ins Wasser ab und es kommt zu einer Befruchtung im Wasser. Aus den befruchteten Eiern schlüpfen schwimmende Larven (Veliger>). Diese ernähren sich von Phytoplankton. Vermutlich gehen sie schon innerhalb weniger Tage zum Bodenleben über. Sie setzen sich auf Felsen und Muscheln ab und beginnen zu wachsen. Sie sind alle männlich und suchen in lockeren Gruppen zwischen den von größeren Tieren besiedelten Steinen nach Nahrung. Wenn sie zwei- bis drei Jahre alt sind, wechseln sie ihr Geschlecht und werden zu Weibchen. Dann werden sie zu Einzelgängern und besetzen ein Revier. Die Weibchen sind bei der Art also größer, weil erst große Tiere zu Weibchen werden. Die kleineren Tiere haben kleinere Keimdrüsen und weniger Reserven. Sie wären gar nicht in der Lage ausreichende Mengen an Eiern zu produzieren. Erst wenn die Schnecke größer wird, kann sie eine Revier besetzen, sich die Produktion von Eiern leisten und wird zum Weibchen.
So ist es auch bei den Gemeinen Napfschnecken (Patella vulgaris) an unseren Küsten. Die Jungtiere sind alle männlich und später werden sie zu Weibchen. Sie sind protandrische Konsekutivzwitter. Die Larven gehen zum Bodenleben über, wenn sie etwa 0,2 mm groß sind. Aus Gezeitentümpel wanden sie dann nach und nach auf die Felsen.
Der Geschlechtswechsel erfolgt zwischen zwei Fortpflanzungsperioden. Die Gonaden der Tiere bilden sich nach der Paarungszeit zurück und werden inaktiv. Beginnt die nächste Paarunsgzeit im Frühjahr, wenn das Wasser sich erwärmt, nehmen sie ihre Arbeit wieder auf und produzieren Spermien oder Eier. Der Geschlechtswechsel hängt vom Alter, der Größe der Tiere und auch von der Populationsdichte ab.

Das Strahlenhütchen (Patella pellucida, Syn. Ansates pellucida) ist dagegen getrenntschlechtig. Die Tiere sind vom Schlupf an männlich oder weiblich. Ihre Gehäuse sind bis etwa 1,5 cm groß und haben einen weit nach vorne verschobenen Apex. Von ihm gehen blau irisierende, unterbrochene Linien aus. Braune Tange leuchten ähnlich, so dass die Tiere auf ihnen gut getarnt sind. Diese Tiere weiden die obere Gewebeschicht von den Tangen (Fucus, Laminiaria etc.) ab. Ihre Ruheplätze schaben die Schnecken in den Felsen am Grund der Tange. Männchen und Weibchen geben hauptsächlich im Winter und Frühjahr ihre Eier und Spermien ins Wasser ab, wo dann die Befruchtung erfolgt. Die Larven setzen sich zunächst auf Steinen ab. Erst wenn sie eine ausreichende Größe haben, können sie von den Tangen fressen und wandern zu den Pflanzen. Das Verbreitungsgebiet der Art reicht von Norwegen bis zum Südwestlichen Spanien. Dort lebt sie im unteren Bereich der Gezeitenzone bis in etwa 30 m Tiefe.


Napfschnecken sind realtiv wehrlos

Napfschnecken sind nicht besonders wehrhaft. Darum versuchen sie vor Angreifern wie Raubschnecken, Seesternen oder Seeigeln zu fliehen. Die erkennen sie am Geruch und ergreifen dann die Flucht. Es erscheint unsinnig, dass ein so langsames Tier versucht zu fliehen, aber viele Angreifer sind auch nicht wesentlich schneller und den Letzten beißen eben die Räuber. Beim Weiden legen die Napfschnecken etwa 0,5 cm in der Minute zurück, auf der Flucht kommen sie deutlich besser voran. Ihre Freesfeinde wie die Netzreusenschnecken (Hinia reticulata) und die Wellhornschnecke (Buccinum undatum) schaffen etwa 16 cm/min. Werden sie von Raubschnecken angegriffen, versucht die Napfschnecken, den Fuß des Räubers unter dem Rand ihres Gehäuses einzuklemmen. Das Napfschnecken-äquivalent zum Tritt in die Weichteile.
Ihr bester Schutz ist aber vermutlich ihr Lebensraum. Mit ihren flachen Gehäusen bieten sie dem Wasser deutlich weniger Widerstand als alle Raubschnecken. Die Feinde können ihnen nicht in die Brandungszone oder auf das Trockene folgen.

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